Die heilsame Kraft des Glaubens

■ Vor einigen Wochen war irgendwo in den Nachrichten die Mitteilung von einer Studie zu vernehmen, die in den USA angestellt wurde. Man untersuchte nämlich die Lebenserwartung von Menschen, die gläubig sind, und verglich sie mit der von nicht gläubigen Menschen. Als Ergebnis kam heraus, dass die gläubigen Menschen statistisch gesehen, also im allgemeinen Durchschnitt, eine doch etwas höhere Lebenserwartung haben. Dabei betrug die Lebenserwartung von Mönchen bis zu drei Jahre höher als die von Männern, die nicht in einem Kloster leben.
Nun, man sollte jetzt bitte nicht hingehen und aus diesen Erkenntnissen übereilt und zu leichtfertig das Argument konstruieren, dies sei etwa ein Beweis für die Existenz Gottes. Noch weniger darf man den schlimmen Fehler begehen, aus dem erreichten Alter eines Menschen bzw. aus seinem Gesundheitszustand irgendwelche Rückschlüsse auf die Tiefe und Festigkeit seines Glaubens zu ziehen. Das alles wäre absurd. Denn der Herr gibt das Leben und der Herr nimmt es wieder - als gläubige Christen wissen wir, dass letztendlich Er allein den Tag und die Stunde unseres Scheidens aus dieser Welt bestimmt. Und zwar nach Kriterien, die für uns nicht zugänglich sind.
Zu berücksichtigen wären in diesem Zusammenhang auch die natürlichen Lebensumstände der einzelnen Gruppen, die ja ebenfalls keinen geringen Ausschlag geben auf die Frage, wie alt man denn schlussendlich wird. Denn wenn ein Mönch ein klassisches Mönchsleben führt, dann hat er im Kloster sowohl einen geregelten als auch einen stabilen Tagesablauf. Er ernährt sich in der Regel gesünder und muss sich normalerweise keine übermäßig große Sorgen um seine Zukunft machen. Frau und Kinder, um die er sich kümmern muss, hat er ja auch keine.
Ein im Berufsleben eingespannter Mann dagegen ist ziemlich oft einem doch höheren physischen wie psychischen Stress ausgesetzt. Nicht nur relativ häufig anzutreffende wechselnde Arbeitszeiten (Schichtarbeit), sondern auch die Sorge um den Beruf und die damit verbundene Versorgung der Familie machen da einem ziemlich zu schaffen. Der übermäßige Alkohol- und Zigarettenkonsum mancher Männerschichten schlägt sich da logischerweise ebenfalls negativ in der Statistik nieder. Ein Mönch dagegen hat normalerweise keine solche Probleme “mit Wein und Weib”, um es einmal volkstümlich zu formulieren.
■ Auch wenn man also jene Statistik nicht falsch interpretieren bzw. nicht überstrapazieren darf, ist in diesem gesamten Zusammenhang trotzdem auf die heilsame Kraft des Glaubens in unserem Leben hinzuweisen. Es gibt nämlich viele andere Bereiche unseres Alltags, in welchen sich die christliche Grundüberzeugung eines Menschen durchaus sogar höchst positiv auf sein Dasein auswirken kann.
Stellen wir uns nur vor, uns widerfährt ein grobes Unrecht. Vielleicht haben wir es ja auch schon tatsächlich einmal durchleben müssen, wie hart es ist, unberechtigt mit einem schwerwiegenden Vorwurf konfrontiert zu werden. Man ringt mit dieser höchst belastenden Tatsache, man kämpf gegen das erlittene Unrecht, man bemüht sich auf verschiedenste Weise und in jedem Fall mit viel Kraftaufwand, für Recht zu sorgen. Man strengt sich an, die betreffenden Lügen aufzuweisen und die dafür eventuell verantwortlichen Lügner zu entlarven - man bemüht sich um die Erhaltung bzw. Wiedererlangung des eigenen guten Rufes. Das ganze eigene Wesen ist ziemlich angespannt und leidet gewaltig unter den betreffenden falschen Beschuldigungen.
Und nehmen wir dann an, es gelingt uns trotz aller dieser legitimen Anstrengungen nicht (!), der Wahrheit zum Sieg zu verhelfen. Wie soll sich dann der Mensch verhalten?
Einen gläubigen Christen nimmt dies alles natürlich auch gewaltig mit. Sein Wesen bebt mitunter ebenfalls unter dem erlittenen Unrecht - dessen braucht man sich nicht zu schämen. Aber ein überzeugter Christ weiß auch, dass es auch noch eine höhere Gerechtigkeit gibt, zu der man seine Zuflucht nehmen kann und soll. Ihm ist es bewusst, dass der Herrgott immer den so genannten vollen Durchblick über das Geschehene hat und sich im entscheidenden Unterschied zu leider viel zu vielen Menschen eben keinesfalls durch irgendwelche Tricks betören und durch Lügen hinters Licht führen lässt. Ein wahrhaft Gläubiger erkennt, dass Gott sich weder von uns noch auch von irgend jemand anderem etwas vormachen lässt und dann auch immer auf die eine oder andere Weise der Wahrheit zum Sieg verhilft - oft durch Seine wunderbare und für uns unbegreifliche Vorsehung irgendwann bereits hier auf Erden, allerspätestens aber in der Ewigkeit. Sein Richten ist immer nur gerecht!
Und dieses Wissen, dass bei Gott letztendlich niemand mit falschen und somit zu Unrecht erhobenen Vorwürfen konfrontiert und belastet bleibt, ist doch ein so gewaltiger Trost für jeden zutiefst gläubigen Menschen, dass dies dann um ein doch nicht unbeträchtliches Maß auch den psychischen Druck von uns nimmt und uns geistig gewissermaßen auch richtig durchatmen lässt! Wir wissen, Gott wird immer irgendwann und irgendwie für Recht und Gerechtigkeit sorgen - wenn wir alle unsere Sorgen auf Ihn werfen und uns mit Hingabe und vertrauensvoll Seiner Führung und Vorsehung überlassen, sind wir auch richtig in Seiner Hand geborgen bzw. stets gut bei Ihm aufgehoben! Und kein noch so verlogener Mensch kann dann mit allen seinen Lügen irgendetwas daran ändern - Gott lässt sich eben nicht manipulieren!
Ein ungläubiger Mensch dagegen, dessen geistige Augen zum gegebenen Zeitpunkt eben nicht den Herrgott erkannt haben, kann dann doch auch keine entsprechende Hoffnung auf irgendeine höhere Gerechtigkeit erwecken. Ihn drückt zwar das erlittene große Unrecht (ebenfalls) brutal zu Boden, er sieht aber für sich keine echte Perspektive, dass ihm durch irgendeine höhere Instanz doch irgendwann Recht geschaffen wird. In seinen Augen gibt es ja nur eine rein diesseitige Instanz der menschlichen Gesellschaft und irdischen Gerichtsbarkeit, bei welcher er trotz wiederholter und verzweifelter Bemühungen eben immer noch kein Gehör fand.
Muss denn da dadurch für ihn nicht irgendwann auch eine furchtbare Hoffnungslosigkeit entstehen? Wird ihn dann dieser zutiefst demoralisierende Zustand in der Folge nicht auch der Verzweiflung bedenklich nahe bringen? Bereiten denn solche niederschmetternden Niederlagen und Enttäuschungen dann nicht auch den Weg zu richtigen Depressionen, wenn man für sich eben keinen Ausweg aus der eigenen verzweifelten Situation mehr sieht? Die entsprechende Wahrscheinlichkeit bzw. die Gefahr dafür ist wohl kaum als gering einzustufen - die seriösen und verantwortungsbewussten Psychiater und Psychotherapeuten werden da wohl ein lautes Lied davon singen können.
■ Aber es begegnen uns ja im Leben immer wieder auch noch andere Arten von Enttäuschungen, Schmerz und Leid. Der eine erlebt einen schmerzlichen Verlust, der andere vollzieht die schmerhafte Erfahrung, dass er nicht zu sehr auf Menschen bauen bzw. ihnen vertrauen kann, der dritte wird von einer schweren Krankheit gezeichnet. Den einen trifft es härter, den anderen ein bisschen weniger hart. Aber wir müssen uns dennoch alle auf die eine oder andere Art und Weise mit solchen negativen Begleiterscheinungen unseres Lebens auseinander setzen bzw. eine Reaktion darauf entwickeln. Niemand kann dem entkommen. So ist dann auch noch der Tod praktisch allgegenwärtig in unserem Leben.
Natürlich leiden wir alle darunter. Selbstverständlich sind wir auch aufgerufen, die bestehenden Ungerechtigkeiten im Maße des Möglichen zu beseitigen und menschliches Elend zu lindern. Auch freuen wir uns berechtigterweise, wenn die Medizin die eine oder andere Krankheit besser in den Griff bekommt oder davon vielleicht sogar gänzlich heilen kann. Dennoch werden wir wohl niemals eine vollkommene Welt auf Erden schaffen können, allein schon weil unsere sittliche Schwäche leider einfach zu groß ist, als dass wir alle perfekt und Heilige wären. Somit musste sich der Mensch praktisch in jeder geschichtlichen Epoche auf die Suche nach entsprechenden Antworten auf jene bohrenden Existenzfragen machen.
Ein Mensch, der ungläubig ist, für den somit das ganze Leben eine rein diesseitige Angelegenheit darstellt und darüber hinaus nichts Höheres mehr existiert, kann doch letztendlich keinen hinreichenden Sinn im menschlichen Leid, Schmerz und Elend erkennen. Denn diese belasten ja nur das Leben ungemein stark bzw. schränken es ziemlich ein. Welchen Sinn sollen sie denn dann noch haben! Und besonders der Tod muss ihm dann doch als komplett absurd vorkommen.
“Bestenfalls” gibt er sich mit seinem Schicksal sozusagen ab und versucht, nicht viel darüber nachzudenken. Aber auch diese so genannte Verdrängungsstrategie wird nicht entscheidend viel bringen, weil man ja auf Schritt und Tritt an die Vergänglichkeit des eigenen Lebens erinnert wird und dann umso mehr nach seinem Sinn fragt und sucht. Und wenn man dann keinen tieferen Sinn im rein irdischen Diesseits findet (weil es ja angeblich nur darum gehe, geboren zu werden, zu fressen und sich zu vermehren, um dann entweder selbst von jemand gefressen zu werden oder einfach so ohne Weiteres und unwiederbringlich “abzutreten”), muss man doch auch irgendwie “die Krise kriegen” bzw. der Verzweiflung nahe kommen.
Ein gläubiger Christ und Katholik leidet natürlich ebenfalls stark unter den belastenden Begleiterscheinungen des irdischen Daseins. Auch der Gedanke an die eigene Sterblichkeit lässt sich von ihm nicht einfach so auf die leichte Schulter nehmen. Aber ein Katholik weiß auch - und das ist der entscheidende Unterschied bzw. sein gewaltiger Vorteil (!), - dass Gott selbst in diese Welt gekommen ist und als geschichtliche Person das Leid der ganzen Menschheit freiwillig auf Seine eigenen Schultern geladen hat, um den Fluch der menschlichen Sünde und des entsprechenden selbst verschuldeten Leides durch Sein stellvertretendes Liebesopfer am Kreuz zu sühnen.
Und eben weil Jesus Christus als das unschuldige Lamm Gottes gelitten hat, hat Er dadurch nicht nur für uns die Erlösung von der Sünde bewirkt, sondern durch Seine sühnende Liebe auch unserem Leid und Elend, unseren Krankheiten des Leibes und Enttäuschungen der Seele einen gewissen tieferen Sinn gegeben, sofern wir natürlich als Seine Jünger unsere verschiedenen Kreuze des irdischen Daseins in Seinem Geiste, d.h. in der innigen Gemeinschaft mit Ihm, tragen! So verzweifelt dann ein echter Christ letztendlich nicht unter der Last des ihn ereilenden irdischen Elends, sondern bemüht sich, dieses durch die heroische Aufopferung an den göttlichen Erlöser als eine Gelegenheit anzusehen, Ihm die Echtheit seiner Liebe und die Aufrichtigkeit seiner Hingabe vorzuleben.
Somit erhält das menschliche Elend und Leid, von welchem hier gesprochen wird, durch den christlichen Glauben einen solchen tieferen Sinn und eine solche übernatürliche Bedeutung, dass gewissermaßen sogar von einer Art “Erhöhung” und “Verklärung” durch die göttliche Gnade gesprochen werden kann! Denn wenn ein überzeugter Katholik seine Lebenskreuze aus Liebe zu unserem Heiland trägt (geduldig und ohne innerlich aufzubegehren), erfährt nicht nur er selbst einen gewaltigen Impuls im Hinblick auf seine persönliche Gottesbeziehung, sondern er kann dann seine entsprechende Opferhaltung auch als eine (letztendlich doch sehr) wirksame Fürbitte für seine Mitmenschen, als ein reines Gebetsopfer, einsetzen. Denn was sich im bzw. durch das Feuer bewährt, erweist sich als zweifelfrei echt und umso wertvoller!
■ Das ist eben die eigentliche, besondere und heilende Kraft des christlich-katholischen Glaubens! Nicht nur wird der Mensch dadurch in die Lage versetzt, seine irdische Realität ihrer deprimierenden Zeitlichkeit und belastenden Diesseitigkeit zu entreißen. Nein, ihm wird auch ein tröstender und aufbauender Blick darauf vom Standpunkt der Ewigkeit und Übernatürlichkeit Gottes gewährt! Gott gibt seinem Ringen und Kämpfen, seinem Leiden und Opfern, seinem Schmerz und Sterben einen solchen Sinn, der das Ganze für den Menschen erst erträglich macht bzw. in einen viel größeren und weit höheren, eben göttlichen Zusammenhang einordnet. Der Mensch ist dann nicht mehr allein, der sein Kreuz trägt - Christus, der göttliche Erlöser, hat vorher auch dieses Kreuz schon auf Seine eigenen Schultern geladen und dadurch in Seine beseligende göttliche Gnade eingebunden!
Zwar ist es heute in unserer Gesellschaft fast schon zur Mode geworden, am christlich-katholischen Glauben “herumzumeckern” und geradezu in “politischer Korrektheit” dies und jenes daran auszusetzen. Aber eigentlich muss man sowohl diese als auch alle jene Menschen zutiefst bedauern, welche sowohl die eigentliche heilsrelevante Aussage unseres heiligen Glaubens nicht erkannt haben als auch blind sind gegenüber jener göttlichen, schöpferischen wie erlösenden, Kraft, die von ihm ausgeht und jeden Willigen in den Wendekreis der heilenden Wunden Christi einbezieht!
Denn wenn sich der Mensch etwa auf die vorhin beschriebene Weise erfolgreich dem Magnetfeld des Irdischen und Vergänglichen gewissermaßen entziehen kann, holt er dadurch auch einen Atemzug des Übernatürlichen, Ewigen und Unvergänglichen und erfährt eine Art geistige Befreiung, die das ganze irdische Elend in einem entscheidend anderen, eben göttlich verklärten, Licht erscheinen und dann in gewisser Hinsicht auch leichter (er)tragen lässt. Denn auch auf diesen gesamten Zusammenhang lässt sich das wunderbare Wort des hl. Apostels Paulus anwenden: “Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir”! (Gal 2,20)

P. Eugen Rissling

 

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